Die Elemente der Kneipp-Bewegung

I. Lebensordnung

I. Lebensordnung

Die Ordnungstherapie basiert auf den Prinzipien der Lebensordnung (griechisch: diaita), jenen Anweisungen zur Gestaltung aller Lebensbereiche, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Gesundheit notwendig sind und die seit der Antike einen festen Bestandteil von Gesundheitslehren und natürlichen Heilweisen darstellen.

Wird Gesundheit als die stets neu herzustellende Ausgewogenheit zwischen den gesund erhaltenden Kräften im Menschen auf der einen und den belastenden Anforderungen der Umgebung auf der anderen Seite verstanden, dann zielt Ordnungstherapie darauf ab, diese Balance zu erhalten oder wieder herzustellen. Dies geschieht durch jeden Einzelnen selbst, indem er, im Sinne Kneipps, eine gesunde Lebensweise anstrebt, zu der auch das Bemühen um seelische Ausgeglichenheit, Stresstoleranz und soziale Kompetenz gehört.

Ordnungstherapie als naturheilkundliches Heilverfahren umfasst alle indirekten (pädagogischen) und direkten (naturheilkundlich-ärztlichen) Maßnahmen, die geeignet sind, jene Ausgewogenheit zwischen Ressourcen und Anforderungen – und damit Gesundheit – zu erhalten oder wieder herzustellen. Hierzu nimmt sie ordnend Einfluss auf die biologischen, die psychosozialen und die spirituellen Regulationsvorgänge im Menschen.

Die 5. Säule beinhaltet als Voraussetzung für psychische Gesundheit die Fähigkeit, sich selbst in der eigenen biologischen und seelisch-spirituellen Wesenheit zu sehen und zu akzeptieren und sich inmitten der Beziehungen zu den Mitmenschen und zur belebten und unbelebten Natur in Ausgewogenheit weiter zu entwickeln.

II. Wasser

I. Lebensordnung

Es ist dieses natürliche Heilmittel, das Sebastian Kneipp den Beinamen „Wasserdoktor“ eintrug und das er tatsächlich als wichtiges Fundament für ein gesundes Leben betrachtete und verwendete. Am bekanntesten ist wohl das Wassertreten, bei dem man wie der sprichwörtliche Storch im Salat durch fast kniehohes Wasser im Becken (oder Badewanne oder was-immer) schreitet.
Aber auch Waschungen und Güsse – heiß, kalt oder wechselnd und je nach Bedarf an unterschiedlichen Körperstellen im Einsatz – haben heilende und vorbeugende Wirkung auf den gesamten Organismus und Kneipp entwickelte all diese Anwendungen und kombinierte sie.
Seine scharfe Beobachtungsgabe und ein stetig wachsendes medizinisches und seelsorgerisches Wissen brachten ihm umfassende Erfahrung und sehr viel heilerischen Erfolg ein. Kneipp hat glücklicherweise viele seiner Fälle und Therapien dokumentiert.

Er unterteilte die Wassertherapie in drei Kategorien:

  • Sanfte Reize wecken die Lebenskräfte
  • Mittlere Reize stärken die Lebenskräfte
  • Allzu starke Reize schaden nur, denn sie schwächen den Organismus
  • grundsätzlich stärken Wasseranwendungen die Abwehrkräfte und das vegetative Nervensystem, sie wirken harmonisierend auf alle Systeme im Körper und fördern die seelische Gelassenheit.

Das Wasser heilt aber nicht nur durch Temperaturwirkung, sondern es ist auch wichtiger Träger für die Wirkstoffe von Heilpflanzen. Ob als Pfefferminztee für die Stärkung von innen oder mit Badezusatz für die Behaglichkeit, ob Urelement etwa beim Aqua-Jogging – Wasser ist eigentlich von selbst schon eine Art „-doktor“.

III. Bewegung

I. Lebensordnung

Bewegung hat ihren festen Platz in der Kneipp’schen Lehre: Das ideale Wechselspiel zwischen Leistung und Ausruhen stärkt Körper, Geist und Seele. Sebastian Kneipp hielt wenig von Hektik und Stress, da beides auf Kosten der Gesundheit geht, und empfahl daher maßvolle Bewegung.

Übersetzt in die heutige Zeit, bedeutet dies Ausgleichssport: Wandern, Schwimmen, Radfahren, Reiten, Joggen, Golf, Tennis, Skilanglauf, Gymnastik und Vieles mehr – Sportarten, die Spaß machen und den Kreislauf auf Trab halten.

So harmonisiert man nicht nur den Bewegungsapparat, Herz und Kreislauf, sondern auch Stoffwechsel und Nerven, kurzum: Alle körpereigenen Systeme finden ihre Balance und machen den Menschen belastbarer, erholter, lockerer, stärker, leistungsfähiger, insgesamt also gelassener gegenüber den Anforderungen des Alltags.

Sebastian Kneipp betrachtete seine Patienten ganzheitlich: „Ein abgehärteter Körper besitzt den größeren Schutz vor den Krankheiten der Seele.“ Dabei ist Abhärtung relativ zu sehen: Wählen Sie die Sportart, die Ihrer Persönlichkeit, Ihrer beruflichen Belastung, Ihrer Kondition und Ihrem Alter entspricht. Der eine fühlt sich nur wohl, wenn er täglich 25 Kilometer radelt, für den anderen ist ein zehnminütiger Spaziergang am Tag genau das Richtige.

Wichtig ist, den „Freizeit“-Sport nicht aufs Wochenende und die Urlaubszeit zu verlegen, sondern als festes Ritual ins Alltagsleben einzubauen. Oder, wie die Jogger sagen: „Das Schwierigste am Sport ist der Schritt vor die Tür.“

IV. Ernährung

I. Lebensordnung

Eine bedarfsgerechte, vollwertige, schmackhafte, möglichst naturbelassene Ernährung ist wichtige Voraussetzung für das Wohlbefinden. Sie trägt zum Gesundbleiben wie zum Gesundwerden bei, indem sie die körpereigenen Schutzsysteme fördert.

Nicht nur die Zusammensetzung der Speisen spielt für diese Wirkung eine Rolle, sondern auch das „Zusammensetzen“ am Tisch: Genuss, Freude, Ruhe und Zeit gehören ebenso zu einer gesunden Mahlzeit wie Küchenkräuter und Gemüse.

Ein paar Tipps

  • Essen Sie vielseitig und abwechslungsreich. Verboten hat Sebastian Kneipp nichts – nur das Übertreiben.
  • Kneipp meinte: „Im Maße liegt die Ordnung. Jedes Zuviel und jedes Zuwenig stellt an Stelle der Gesundheit Krankheit.“
  • Würzen Sie vielseitig: frische Kräuter, Knoblauch, Zitrone, Meerrettich oder Zwiebel bieten mehr Geschmacksvarianten als nur Salz und Ketchup
  • Pflanzliche Lebensmittel bevorzugen – am besten fünf mal täglich Obst und Gemüse und dafür nur wenig Tierisches
  • Milch (-produkte) am besten täglich genießen
  • Seefisch einmal die Woche in den Speiseplan einbauen
  • Wenig Fett – und wennschon, dann kalt gepresst und nicht raffiniert
  • Viel trinken
  • Genussmittel wie Kaffee und Wein dürfen Sie ruhig dann und wann genießen
  • Lebensmittel aus der Heimat und nach Jahreszeit verwenden
  • Frische Zutaten schonend zubereiten
  • Essen Sie in Ruhe und in angenehmer Atmosphäre

V. Heilpflanzen

I. Lebensordnung

Die Pflanzenheilkunde befasst sich mit der Anwendung pflanzlicher Mittel zur Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten. Die moderne Phytotherapie wurzelt in den Erfahrungen unserer Vorfahren, ist jedoch naturwissenschaftlich orientiert, und zwischenzeitlich sind viele Pflanzen hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten untersucht.

„….ich möchte nur wünschen, dass alle Menschen die Kräuter wieder mehr zu Ehren kommen ließen. In ihnen ist ja soviel Heilkraft, und unsere Voreltern haben ihre Gesundheit durch die Kräuter erhalten und wieder erlangt.“ (S. Kneipp).

Pflanzen sind wichtige Helfer bei Alltagsbeschwerden sowie bei der Behandlung von Krankheiten. Sie können dazu beitragen, bestimmte chemische Medikamente einzusparen bzw. in ihrer Dosis zu verringern oder sogar zu ersetzen (z.B. Schlaf- und Beruhigungs-, Verdauungs- oder Schmerzmittel).

Die Pflanzenheilkunde erhebt jedoch nicht den Anspruch, chemisch-synthetische Medikamente völlig zu ersetzen, sondern sie versteht sich vor allem als wertvolle Ergänzung bei geeigneten Anwendungsbereichen.

Heilpflanzen können auf sanfte Weise Störungen im Organismus harmonisieren und die Abwehrleistung des Körpers aktivieren.Dadurch wird der Organismus zu einer heilsamen Reaktion veranlasst. Auch das Entschlacken und Reinigen des Gewebes kann durch Heilpflanzen gefördert werden – Kräuter wirken damit wie eine „innere Kur“ (S. Kneipp).

Darüber hinaus enthalten Pflanzen einen fast unerschöpflichen Reichtum an Vitalstoffen – darunter Mineralstoffe und Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Bitterstoffe. Die wasserdampfflüchtigen Öle, welche zumeist aus einer Vielzahl von Komponenten zusammengesetzt sind, weisen häufig einen intensiven, charakterischen Geruch auf. Ätherische Öle werden in der Regel gut über die Haut und Schleimhäute aufgenommen, auch beim Einatmen können sie ihre Wirksamkeit entfalten (z.B. Inhalalation, Dämpfe, Wickelzusätze). Außerdem können sie beim Überbrühen bzw. Köcheln in das Teewasser übergehen.

„Ich habe die feste Überzeugung, dass die Kräuter nicht nur Heilmittel, sondern auch ganz ausgezeichnete Nährmittel sind.“
(S. Kneipp)